Rühlmannstätte
Eine Kombination mit Zukunft
Rühlmann- Stätte als Zentrum für Naturschutz, Kultur- und Heimatpflege?
Die Haustenbecker Straße in Augustdorf. Verborgen hinter einem Zaun und einer gepflegten Hecke liegt ein altehrwürdiges Gebäudeensemble. Eingebettet in eine etwa 8.000 Quadratmeter große Gartenanlage mit herrlichem Baumbestand, fällt ein Fachwerkhaus ins Auge. Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet, mit Anbau. Daneben ein für die Region typisches, aber deutlich jüngeres Bruchsteingebäude. Rühlmann-Stätte heißt der Komplex und hat das Zeug, künftig zu einem über die Gemeinde hinaus bedeutsamen Zentrum für Naturschutz, Kultur und Heimatpflege zu werden. Das ehrgeizige Projekt wollen der Augustdorfer Heimatverein, die Mitarbeiter des „Naturschutzgroßprojektes Senne und Teutoburger Wald“, sowie die Gesellschafter der „Initiative Schloss Lopshorn“ gemeinsam stemmen. Die Förderer des Wiederaufbaus von Schloss und Gestüt, sehen in der Rühlmann – Stätte eine geeignete Zwischenlösung, bis aus ihren großen Plänen Realität werden kann. Namensgeber der geschichtsträchtigen Immobilie war der Lehrer und Naturwissenschaftler Dr. Rühlmann, der das Geländemit umliegenden Flächen 1920 erwarb. Der Pädagoge aus dem Ruhrgebiet wollte – wie schon in Dortmund – auch in Augustdorf eine Privatschule eröffnen. Rühlmann verfasste mehrere Bauanträge, konnte sein Projekt jedoch trotzdem nie verwirklichen. Als Dortmund gegen Ende des zweiten Weltkriegs ausgebombt wurde, zogen er, seine Frau und Tochter Margarete an den Sennerand. Margarete Rühlmann arbeitete als Sport-, Handarbeits- und Naturkundelehrerin.
In der Holländerin Julie Marie Immink fand sie eine Freundin. Auch deshalb scheint es aus heutiger Sicht nahezu konsequent für die Initiative Wiederaufbau Schloss Lopshorn, Rühlmann – Stätte als Zwischendomizil zu wählen. Denn Julie Marie Immink war zwischen 1936 und 1950 die „Mutter“ der Sennerpferde-Zucht. Unter schwierigsten Bedingungen versuchte sie die vom Aussterben bedrohte älteste Pferderasse Deutschlands zu retten. Anfangs lebten Immink und ihre Tochter auf Lopshorn, bei Kriegsende versuchten sie sich auf dem Schapeler Hof bei Augustdorf durchzuschlagen. Dort muss sie auch Margarete Rühlmann kennen gelernt haben. Später sollen die beiden viele gemeinsame Ausritte unternommen haben, und die gut situierte Lehrerinhat wohl auch manche Tierarztrechnung bezahlt. Kehrten die Senner an diesen Ort zurück, schlösse sich der Kreis.
Margarete Rühlmann starb 2008 im Alter von 93 Jahren. Schon zu Lebzeiten hatte sie sich ein pfiffiges, aber für die Gemeinde nicht immer bequemes Arrangement überlegt. Sievermachte der Gemeinde Augustdorf die Gebäude und sämtliche Flächen, ca. 8 ha. Dafür musste ein Bauhofmitarbeiterschon zu ihren Lebzeiten für 1,5Tage in der Woche die Pflege der Anlage übernehmen. Und damit kommt auch der Hei malverein Augustdorf ins Spiel. Denn der erste Vorsitzende des Heimatvereins, Bodo Diekmann, war damals als Bauhofleiter der Gemeinde tätig. Er beriet Margarete Rühlmann, wenn es um ihren geliebten Garten ging, er musste aber auch zur Stelle sein, wenn die ältere Dame einmal Probleme mit dem Türschloss oder den Fensterläden hatte. So mag es ein klein wenig an dieser Konstellation gelegen haben, dass der Heimatverein zwar nicht als Eigentümer aber als Nutznießer des Erbes eingetragen wurde. So eröffneten sich dem Verein ideale Möglichkeiten, endlich ein Orts- und Sennemuseummit Begegnungsstätte einrichten zu können.
Heimatverein Augustdorf
Schon seit 2001 beschäftigt sich der Heimatverein sehr professionell mit der Entwicklung eines Nutzungskonzeptes. Mit Alexander von Spiegel verpflichtete der Vorstand einen renommierten Sachverständigen für historische Holztragwerke, Fachwerk und Denkmalpflege. Er ermittelte die Schäden an den Gebäuden, unterbreitete Sanierungsvorschlage und gab eine Übersicht über die Fördermöglichkeiten. Im zweiten Schritt holte der Heimatverein den Lippischen Heimatbund mit ins Boot. Im Juli dieses Jahresstellte die Bezirksregierung Detmold fest, dass das Projekt im Rahmen der „Dorferneuerung“ förderfähig sei. Auch mit der NRW-Stiftung stehen Diekmann und seine Mitstreiter in engem Kontakt. Die Mitglieder des Heimatvereins haben schon unzählige Stunden mit dem Entrümpeln des Fachwerkhauses zugebracht und weitere 2000 Stunden Eigenleistung sind vorgesehen. Konkret plant der Verein, das obere Stockwerk des Backsteingebäudes mit Möbeln aus dem Nachlass von Margarete Rühmann einzurichten und mit einer Ausstellung an ihr Leben zu erinnern. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus soll originalgetreu restauriert werden. Die Deele ist als Ort der Begegnung für Lesungen, Trauungen oder ähnliches vorgesehen. Die übrigen Zimmer sollen als Museum dienen und ihrer ursprünglichen Nutzung entsprechend eingerichtet werden.
Vorgesehen ist außerdem, ein drittes Gebäude auf dem Gelände zu errichten. Dabei soll nach Möglichkeit eine altes Scheune oder ein regional typisches Fachwerkhaus wieder aufgebaut werden. In diesem großen Museumsbau ist ebenfalls ein Raum der Begegnung geplant, der für Kultur- und Informationsveranstaltungen, Feiern und Sonderausstellungen genutzt werden kann. Ferner will der Verein in diesem dritten Gebäude die großen Ausstellungsstücke wie landwirtschaftliche Geräte und Wagen präsentieren und Werkstätten von Schustern, Tischlern oder Schneidern nachstellen.
Initiative Wiederaufbau Schloss Lopshorn
In dem dritten Gebäude möchte auch die Initiative Wiederaufbau Schloss Lopshorn ein Informationszentrum zur Geschichte von Gestüt und Schloss sowie zu Planung und Koordination des Wiederaufbaus einrichten. Dort sollen Seminare, Tagungen und Workshops rund um das Senner Pferd stattfinden. Schließlich soll in unmittelbarer Nähe ein Offenstall für die Senner entstehen, die dann auf den benachbarten acht Hektar Fläche fast ursprüngliche Haltungs- und Ernährungsbedingungen vorfinden würden.
Naturschutzgroßprojekt Senne und Teutoburger Wald
www.naturpark-teutoburgerwald.de/
Eine thematisch ideale Ergänzung zu den Senner Pferden bietet das für 2011 geplante Informationszentrum zum „Naturschutzgroßprojekt Senne und Teutoburger Wald“. Neben Oerlinghausen, Detmold und Lage soll auch in Augustdorf eine Anlaufstelle für interessierte Einzelpersonen und Gruppen entstehen – auf Rühlmann – Stätte, im Erdgeschoss des Bruchsteingebäudes. Langfristig überlegen die Projektmitarbeiter sogar, alte Haustierrassen und die historische Heidebauern Wirtschaftwieder erlebbar zu machen. Das Naturschutzprojekt bezieht sich auf eine Fläche von 1800 Hektar, die hufeisenförmig den Truppenübungsplatz „Stapelager Senne“ umschließt. Sie erstreckt sich somit auf Bereiche der Senne und des Teutoburger Waldes. Schützenswerte Pflanzen und Tiere des wertvollen Naturraumes werden in dem Projekt erfasst. Dann kommen, gefördert durch ein Bundesprogramm, gezielte Schutzmaßnahmen zum Tragen. Das Besondere am Naturschutzgroßprojekt: Alle Maßnahmen werden in Kooperation mit den Grundeigentümern umgesetzt. Im Rahmen des Vorhabens werden Flächen gekauft, langfristig gepachtet oder Vereinbarungen über bestimmte Nutzungsformen mit den Eigentümern getroffen. Ertragsausfälle werden dabei entschädigt. Um die Senne mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna zu schützen, werden unter anderem nicht Standortgerechte Nadelwälder umgewandelt, Magerrasenflächen entbuscht und Landschaftspflegemit Schafen, Ziegen, geeigneten Rindern und Pferden betrieben. Mit Senner Pferden natürlich. Spannende Perspektiven also für Rühlmann – Stätte. Das historische Gebäudeensemble an der Haustenbecker Straße könnte künftig das Verständnis für Natur, Kultur und Geschichte fördern, die regionale Identität stärken und langfristig auch neue Entwicklungsmöglichkeilen erschließen.
Schlänger Bote Nr. 336 • Oktober 2009 Foto U.Pax