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Schloß Holte-Stukenbrock und Augustdorf schließen Frieden

Die Bürgermeister Andreas Wulf und Hubert Erichlandwehr und Mitglieder der Heimatvereine Augustdorf und Schloß Holte-Stukenbrock. | © Sigurd Gringel

 Schloß Holte-Stukenbrock und Augustdorf schließen Frieden

 Vor mehr als 200 Jahren haben sich Stukenbrocker und Augustdorfer so in die Haare gekriegt, dass die Quellen von einem Krieg sprechen. Auf dem Hof Welschof wurde schließlich der Frieden besiegelt. Die Bürgermeister erinnern daran.

Ein Wacholder auf den Frieden: Andreas Wulf (v. l.), Hubert Erichlandwehr und Annette Strohdiek vom Heimatverein Augustdorf stoßen auf dem Hof Welschof an. Hier wurde der Friedensvertrag unterzeichnet. | © Sigurd Gringel

 Heute pflegen die Stukenbrocker und die Augustdorfer ein gutes Verhältnis. Das bekräftigen die Bürgermeister Hubert Erichlandwehr (SHS) und Andreas Wulf (Augustdorf). Sie arbeiten auch Hand in Hand, zum Beispiel bei den Schulen oder beim interkommunalen Gewerbegebiet. Doch das war nicht immer so. Erst ein Friedensschluss am 30. Juni 1817 beendete das jahrzehntelange gegenseitige Beklauen und Verhauen. Daran erinnern die beiden Bürgermeister auf dem Hof Welschof.

 Die Idee zu dem Treffen hatte Andreas Wulf. „Manche schwärmen heute noch davon, wie sich Stukenbrocker und Augustdorfer im Heidekrug gekloppt haben“, sagt er. Er wollte wissen, auf was sich dieser Nachbarschaftsstreit gründet und stöberte in Büchern. Heimatforscher Johannes Stiewe schrieb 1953 in „Stukenbrock – Geschichte eines Sennedorfes“ über einen alten Grenzstreit. Doris und Konrad Thorwesten veröffentlichten im Jahr 2000 ihr Heimatbuch „Die alten Grenzsteine der preußisch-lippischen Grenze in der Senne“. Und es gibt ein 200 Jahre altes Dokument, das Stadtarchivarin Anja Martin für den Anlass herausgesucht hat.

Gut Welschof: Hier wurde der Friede besiegelt. | © Sigurd Gringel

 Zu dem Streit war es gekommen, weil sich die Stukenbrocker ein uraltes Recht nicht nehmen lassen wollten. Seit dem Hochmittelalter – Stukenbrock wurde 1153 erstmals erwähnt – hüteten die Menschen ihre Pferde, Schafe, Ziegen, Kühe und Schweine in der Senne. Die war zwar karg, aber weit und menschenleer. Platz war also vorhanden. Doch der wurde enger, als in der Frühen Neuzeit, 1659, das „Neue Dorf“ Hövelhof und Haustenbeck gegründet wurden. Etwa zur selben Zeit ließ der lippische Graf das Gestüt Lopshorn in die Senne verlegen. Um 1700 fingen die Lipper an, die Stukenbrocker von ihren Weideplätzen (Hude) zu verdrängen. Die Stukenbrocker pochten ihrerseits auf den Verlauf der Hudegrenze, der 1567 festgesetzt wurde. Das Problem war, dass die Hudegrenze nicht identisch mit der Landesgrenze war, sondern ins Lipperland hineinragte.

 Streit war also unvermeidbar, denn für die Menschen damals ging es ums Überleben. Das Vieh musste fressen, die Menschen stachen Brenntorf (Mucken) und hackten Plaggen, um die Äcker zu düngen.

 Der Oberförster von Lopshorn pfändete gelegentlich Vieh der Stukenbrocker. Die Stukenbrocker sackten dafür Senner Pferde ein, die sich auf ihr Gebiet verliefen. Der lippische Graf Friedrich Adolf ließ einen Schafstall bauen, die Stukenbrocker rissen ihn nieder.

 Um 1800 erste offene Feindseligkeiten

 So ging es lange munter hin und her. 1712 eskalierte der Streit zum ersten Mal. Der Oberförster gab sechs Schafe nicht zurück; ihm wurde der Prozess gemacht. Die oberste Gerichtsbarkeit hatte damals das Reichskammergericht. Eine Konferenz 1715 in Dedinghausen bei Schlangen konnte die Hudestreitigkeiten aber nicht beilegen.

 Der Streit spitzte sich zu, als August Simon Strauß 1775 den ersten Hof auf dem Gebiet des heutigen Augustdorf baute. Das Datum gilt als Beginn der Gemeinde. Um 1800 hat es die ersten offenen Feindseligkeiten gegeben. Eine anerkannte Grenze musste her.

 Die Lipper, mittlerweile zum Fürstentum erhoben, wollten Grenzsteine setzen, doch der Stukenbrocker Vogt Welschof wehrte sich dagegen. Ein Gütetermin auf Gut Welschof endete ergebnislos. Ab 1810 sprechen die Quellen von Dorfschlachten und sogar vom Hudekrieg. Die Menschen bewaffneten sich so gut es eben ging mit Forken und Stöcken. Lipper trieben Vieh, das ihrer Ansicht nach zu unrecht auf Lipperland weidete, weg oder kassierten es ein. Und die Stukenbrocker holten es sich zurück. Sie bewachten fortan ihr Vieh mit bewaffneten Trupps. Sie rissen Ställe der Lipper ab und nahmen die Steine mit.

 Die Augustdorfer baten die im Volk angesehene Fürstin Pauline zur Lippe, die die Regierungsgeschäfte für ihren unmündigen Sohn Leopold II. führte, um Hilfe. Jahrelang wurde verhandelt, bis am 30. Juni 1817 auf dem Vogtshof Welschof der Friede per vertrag besiegelt wurde. Das Originaldokument liegt im Landesarchiv Detmold.

 Als Hudegrenze wurde ein zwei Fuß tiefer Graben ausgehoben. Zur Landesgrenze wurde der Hudegraben aber nicht. Trotzdem soll der Friede seitdem offiziell nie gebrochen worden sein.

Bericht 30.06.2017

© Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH & Co. KG

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